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und Urteil des Verwaltungsgerichts
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Kirchengericht: | Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg |
Entscheidungsform: | Urteil |
Datum: | 21.04.2023 |
Aktenzeichen: | VG 01/22 |
Rechtsgrundlage: | § 19 DSG-EKD, Art. 15, 23 Abs. 1 i), 91 Abs. 1 DS-GVO, Art. 4 Abs. 3 EUV |
Vorinstanzen: | keine |
Schlagworte: | Auskunftsanspruch, Bescheidungsklage, Datenschutz, rechtsmissbräuchlicher Befangenheitsantrag, Auskunft, Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO), Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland (DSG-EKD) |
Leitsatz
und Urteil des Verwaltungsgerichts
der Evangelischen Landeskirche in Württemberg
vom 21. April 2023
#Leitsatz:
Da das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf (§ 47 KVwGG), ist dann, wenn der anwaltlich vertretene Kläger ausdrücklich und erklärtermaßen nur eine Bescheidungsklage erhebt, kein Raum für eine korrigierende Auslegung der Klageanträge dahin, dass entgegen dem Wortlaut des Antrags doch eine unbedingte Verpflichtung begehrt wird.
###Az: VG 01/21 | ||
In der Verwaltungsrechtssache | ||
Herrn … | ||
prozessbevollmächtigt: | ||
Rechtsanwälte | - Kläger - | |
... | ||
gegen | ||
Schulstiftung der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, vertreten durch den Ev. Oberkirchenrat als Stiftungsvorstand Presselstr. 29, 70191 Stuttgart | ||
prozessbevollmächtigt: | ||
Rechtsanwälte | - Beklagte - | |
... | ||
wegen Auskunft | ||
hat das Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg durch | ||
den Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofs Dr. Rüdiger Albrecht als Vorsitzenden, | ||
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Prof. Dr. Jan Bergmann als Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt, | ||
den Richter am Landgericht David Schenk als nichtordiniertes Mitglied, | ||
die Pfarrerin Petra Frey als ordiniertes Mitglied, | ||
den Pfarrer i.R. Prof. Dr. Thomas Hörnig als ordiniertes Mitglied, | ||
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2023 für Recht erkannt: |
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. | |
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. |
Tatbestand
###Der Kläger war jedenfalls zum Zeitpunkt der Klageerhebung Schüler am Evangelischen […] Gymnasium in M.
Er beantragte mit Schreiben vom 25.09.2020 bei der Beklagten erstmalig Auskunft „gemäß Artikel 15 der Datenschutz-Grundverordnung“. Dies wurde von der Beklagten als Antrag gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 des Kirchengesetzes über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland vom 15. November 2017 (im Folgenden: DSG-EKD) ausgelegt. Mit Schreiben vom 22.10.2020 wurde eine Auskunft über die bei der Beklagten gespeicherten Daten, die Verarbeitungszwecke, die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung der Datenkategorien, die Empfänger von Daten, die Speicherdauer, die Betroffenenrechte, die Herkunft der Daten, die Übermittlung in Drittstaaten und die Fristen und Rechtsfolgen erteilt. Der Umfang der Auskunft wurde vom Kläger - nunmehr anwaltlich vertreten - mit Schreiben vom 16.12.2020 bemängelt, woraufhin die Beklagte die Auskunft mit Schreiben vom 15.01.2021 ergänzte. Sie blieb hierbei jedoch innerhalb des Katalogs des § 19 Abs. 1 Satz 2 DSG-EKD und arbeitete nicht - wie vom Kläger begehrt - den Katalog des Art. 15 der Datenschutz-Grundverordnung (im Folgenden: DS-GVO) ab. Der Kläger erhielt insbesondere nicht die beantragten Kopien über personenbezogene Daten sowie sämtliche Noten, Bewertungen und sonstige Aufzeichnungen über den Kläger. Insoweit teilte die Beklagte mit, Auskünfte über Notizen, Bewertungen und sonstige Aufzeichnungen würden unter die Einschränkungen des § 19 Abs. 2 und Abs. 4 DSG-EKD fallen. Überdies seien Kopien der personenbezogenen Daten grundsätzlich keine Bestandteile der nach § 19 DSG-EKD zu erteilenden Informationen. Hinsichtlich der begehrten Auskünfte über Empfänger der Daten in Drittländer und ergriffene Garantien im Falle einer solchen Übermittlung teilte die Beklagte mit, eine Übermittlung von Daten in Drittstaaten finde nicht statt. Bezüglich der Nutzung von Office 365 habe die Fa. Microsoft eine Datenhaltung in der EU zugesagt. Zudem wurde die Auskunft erteilt, dass eine automatisierte Entscheidungsfindung nicht stattfinde.
Der Kläger legte daraufhin mit Schriftsatz vom 22.10.2021 Widerspruch ein und verlangte unter Aufhebung der beiden Bescheide erneut eine antragsgemäße - aus seiner Sicht vollständige und ermessensfehlerfreie - Auskunft. Der Widerspruch sei zulässig und begründet, weil die bisher erteilte Auskunft nicht ordnungsgemäß und insbesondere nicht ermessensfehlerfrei erfolgt sei. Nach Art. 91 DS-GVO habe das kirchliche Datenschutzrecht mindestens das Niveau der DS-GVO einzuhalten und könne nur dann zur Geltung kommen, wenn das Niveau der unmittelbar anwendbaren Verordnung eingehalten und regelungstechnisch von der DS-GVO nicht zum Nachteil der Betroffenen abgewichen werde. Im Fall der Auskunftsrechte, die im DSG-EKD nur unzureichend vorgesehen seien, griffen also auch die Regelungen der DS-GVO dort, wo diese weitergehende Rechte gestatte. In diesem Sinne sei der Anspruch auf Auskunft nach § 19 DSG-EKD nicht nur auf die dort genannten Bestandteile beschränkt, vielmehr sei auch über die in Art. 15 DSG-VO genannten Bestandteile Auskunft zu erteilen. Neben weiteren begehrten Auskünften habe der Verantwortliche dem Betroffenen zudem eine Kopie seiner personenbezogenen Daten zur Verfügung zu stellen (Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO). Dies umfasse ebenfalls Auskünfte und Kopien insbesondere sämtlicher Noten, Bewertungen und sonstige Aufzeichnungen über den Kläger. Hinsichtlich der Verwendung von Microsoft Office 365 an der Schule des Klägers trug dieser vor, eine Zusicherung der Fa. Microsoft, dass die Daten nur innerhalb der EU gespeichert würden, genüge nicht, weil US-Behörden durch dortige Sicherheitsgesetze Zugriffsmöglichkeiten hätten. Es seien insoweit keine Garantien für einen Drittstaatstransfer nach § 10 DSG-EKD bzw. nach den Art. 44 ff. DS-GVO in die USA vorgelegt worden.
Der Widerspruch wurde vom Evangelischen Oberkirchenrat mit Bescheid vom 20.01.2022 zurückgewiesen. Der Widerspruch sei zwar zulässig, aber unbegründet, weil die erteilte Auskunft rechtmäßig sei. Die Auskunft nach § 19 DSG-EKD sei mit Schreiben vom 22.10.2020 und 15.01.2021 vollumfänglich erteilt worden und die Prüfung, ob Microsoft 365 datenschutzkonform verwendet werden könne, sei nicht Gegenstand eines datenschutzrechtlichen Auskunftsbegehrens und somit auch nicht des Widerspruchsverfahrens. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht würden in der Anlage zu dem Widerspruchsbescheid Kopien der zum Kläger bei der Schulstiftung vorhandenen Daten aus den Schulprogrammen Winprosa, Atlantis, Navision, Schulmanager und Untis zur Verfügung gestellt.
Am 21.02.2022 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg Klage erhoben. Er trägt - unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags im Widerspruchsverfahren - im Wesentlichen vor, die Anwendung der DS-GVO werde nicht durch das DSG-EKD verdrängt, weil die Voraussetzungen des Art. 91 Abs. 1 DS-GVO aufgrund eines durch § 19 DSG-EKD nach unten abweichenden Schutzniveaus nicht erfüllt seien. Demgemäß seien die noch nicht erteilten Auskünfte gemäß Art. 15 DS-GVO zu erteilen und weitere Kopien, insbesondere hinsichtlich der den Kläger betreffenden Notizen, Bewertungen und sonstigen Aufzeichnungen, zur Verfügung zu stellen. Der Anspruch auf Auskunft sei diesbezüglich auch nicht nach § 19 Abs. 2 DSG-EKD durch überwiegende berechtigte Interessen Dritter an der Geheimhaltung ausgeschlossen. Es überzeuge nicht, dass jede Lehrkraft ein besonderes Interesse daran habe, das Bewertungssystem geheim zu halten. Vielmehr habe der Kläger ein überwiegendes Interesse daran, seine eigenen Stärken und Schwächen reflektiert zu bekommen. Hinsichtlich des Einsatzes von Microsoft Office 365 wird ergänzend ausgeführt, es finde entgegen der Auffassung der Beklagten eine Übermittlung der Daten in die USA als unsicheres Drittland statt. Eine Übermittlung in die USA sei nämlich bereits dann anzunehmen, wenn der Anwendungsbereich von Section 702 FISA oder dem Cloud Act eröffnet sei und die Zugriffsberechtigung der Sicherheitsbehörden bestehe. Über geeignete Garantien gemäß Art. 46 DS-GVO habe die Beklagte nicht informiert.
Der Kläger beantragt,
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. |
Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Ergänzung der bereits erteilten Datenschutzauskunft sowie auf Zurverfügungstellung von Kopien der Beklagten, weil beides nicht vom Auskunftsanspruch gemäß § 19 DSG-EKD umfasst sei. Art. 15 DS-GVO sei im vorliegenden Fall nicht, auch nicht ergänzend, anwendbar. Streitentscheidend sei allein § 19 DSG-EKD. Hieran gemessen sei die Klage unbegründet, weil § 19 DSG-EKD weder einen Anspruch auf Erteilung von Kopien gewähre noch eine zu Art. 15 Abs. 2 DS-GVO äquivalente Regelung enthalte, wonach im Zusammenhang mit einer Drittstaatenübermittlung geeignete Garantien nachzuweisen wären. Anders als der Kläger meine, verlasse das DSG-EKD auch nicht den von Art. 91 Abs. 1 DS-GVO geforderten Einklangbereich mit der DS-GVO. Dies habe zur Folge, dass die DS-GVO auf Sachverhalte, die dem Regelungsbereich des DSG-EKD unterfallen, gar nicht - auch nicht ergänzend - anzuwenden seien. Der europäische Gesetzgeber habe sich bei Schaffung des Art. 91 Abs. 1 DS-GVO dazu entschieden, den Kirchen auch unter der Datenschutzgrundverordnung ein eigenes Datenschutzrecht zu ermöglichen, wobei dieses dem Schutzstandard der DS-GVO im Ganzen entsprechen müsse. Die Voraussetzungen des Art. 91 DS-GVO halte das DSG-EKD ein. Daher sei kein Raum für die subsidiäre Anwendung europarechtlicher Normen, solange und soweit diese selbst ihre Geltung zurücknehmen, wie es im Rahmen des Art. 91 Abs. 1 DS-GVO der Fall sei. Nur wenn die Voraussetzungen von Art. 91 Abs. 1 DS-GVO nicht erfüllt seien, komme die Datenschutzgrundverordnung zur Anwendung, dann aber als Ganzes, da zu dem Zeitpunkt, in dem das Datenschutzrecht der Kirchen nicht mehr mit der Datenschutzgrundverordnung im Einklang steht, dieses vollständig an Geltung verliere, weil es nicht mehr von Art. 91 Abs. 1 DS-GVO gedeckt werde. Daher sei jedenfalls kein Raum für eine punktuelle Geltung der DS-GVO, wenn das EKD-DSG als solches insgesamt mit der Datenschutzgrundverordnung im Einklang stehe. Bei Art. 91 Abs. 1 DS-GVO handele es sich um keine reguläre Öffnungsklausel und auch das Verhältnis zwischen Unionsrecht und staatlichem nationalen Recht sei ein anderes als zwischen staatlichem Recht und Kirchenrecht. Das EKD-DSG gewährleiste einen der DS-GVO prinzipiell vergleichbaren Schutzstandard und stehe daher „im Einklang“ mit den Regelungen der DS-GVO. Daher regele das EKD-DSG in seinem (im vorliegenden Rechtsstreit eröffneten) Anwendungsbereich die Rechte des Klägers bzw. des Betroffenen abschließend. Ein Anspruch auf Kopien und/oder ergänzende Mitteilung geeigneter Garantien stehe dem Kläger gemäß § 19 DSG-EKD nicht zu.
Die Beklagte trägt hilfsweise vor, dass ein Anspruch - sollte man ihrem Vortrag nicht folgen - jedenfalls hinsichtlich der begehrten Kopien auch nicht aus Art. 15 DS-GVO folge. Zwar kenne das DSG-EKD kein „Recht auf Kopie“, sodass es auf den ersten Blick einen der DS-GVO entsprechenden Schutzstandard nicht zu geben scheine. Gleichwohl sei fraglich, ob das EKD-DSG mit seiner Regelung tatsächlich den Schutzstandard unterschreite, weil die kirchenrechtliche Norm dem Betroffenen letztlich ein gleichwertiges Recht zur Hand gäbe, namentlich das Auskunftsrecht nach § 19 Abs. 1 Satz 1 DSG-EKD. Höchstvorsorglich werde zum Einsatz von Microsoft 365 vorgetragen, dass der Einsatz dieser Cloud-Lösung nicht unzulässig im datenschutzrechtlichen Sinne sei. Sowohl das DSG-EKD als auch die DS-GVO verlangten nicht die Herstellung eines absoluten, sondern nur eines dem Risiko angemessenen Schutzniveaus. Ein solches sei beim Einsatz von Microsoft 365 durch eine entsprechende datenschutzfreundliche Konfiguration gewährleistet.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
#Entscheidungsgründe
###I. Das Verwaltungsgericht der Evangelischen Landeskirche in Württemberg konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung entscheiden. § 62 Abs. 2 des Kirchlichen Verwaltungsgerichtsgesetzes (im Folgenden: KVwGG) sieht dies ausdrücklich vor. Das persönliche Erscheinen eines Beteiligten (§ 55 Abs. 1 KVwGG) war nicht angeordnet. Die Ladung, welche den in § 62 Abs. 2 KVwGG bezeichneten Hinweis enthält, ist den Beteiligten rechtzeitig - nämlich mindestens zwei Wochen vor dem Termin (§ 62 Abs.1 KVwGG) - zugegangen. Ausweislich der bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisse haben der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 01.02.2023 und der Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 02.02.2023 ihre Ladungen erhalten.
II. Das Verwaltungsgericht entscheidet über die Klage unter Beteiligung der mit Schriftsatz der Beklagten vom 21.04.2023 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Richter Dr. Albrecht und Schenk. Denn der Befangenheitsantrag ist rechtsmissbräuchlich und offensichtlich ungeeignet, einen Ausschluss der abgelehnten Richter zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.8.2013 - 2 AV 5/13 - juris Rn. 21; BVerfG, Beschlüsse vom 19.6.2012 - 2 BvR 1397/98 - juris Rn. 45 und vom 15.12.2022 - 2 BvR 2126/22 - juris Rn. 3). Dies ergibt sich aus Folgendem: Die Beklagte stützt ihre Richterablehnung darauf, dass der Vorsitzende des Gerichts mit Schreiben vom 20.04.2023 den mit Schriftsatz vom 19.04.2023 gestellten Antrag auf Teilnahme an der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung, hilfsweise auf Verlegung des Termins, abgelehnt hatte. Die Ablehnung wurde damit begründet, dass beim kirchlichen Verwaltungsgericht sowohl die rechtlichen als auch die tatsächlichen Voraussetzungen für eine mündliche Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung fehlten und eine Verlegung mit Blick auf den am 21.04.2023 stattfindenden Bahn- und Flughafenstreik nicht gerechtfertigt sei, weil angesichts der noch zur Verfügung stehenden Zeit bis zur mündlichen Verhandlung in zumutbarer Weise mit alternativen Verkehrsmitteln, z.B. dem Auto, angereist werden könne. Diese Begründung lässt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt den Schluss zu, der Vorsitzende - oder gar der an dieser Entscheidung gar nicht beteiligte Berichterstatter Schenk - habe der Beklagten anwaltlichen Beistand in der am 21.04.2023 stattfindenden mündlichen Verhandlung vorenthalten und eine Anwesenheit ihres Prozessbevollmächtigen verhindern wollen, zumal ja gerade auf die Möglichkeit einer Anreise per Auto hingewiesen worden war und genügend Vorbereitungs- und Reisezeit bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zur Verfügung stand. Dem Schriftsatz vom 19.04.2023 waren - abgesehen von dem allgemeinen und untauglichen Hinweis auf „vom ADAC prognostizierte Behinderungen“ - keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass und weshalb eine Anreise per Auto unmöglich oder wenigstens unzumutbar sein könnte. Solche Gesichtspunkte trug der Prozessbevollmächtigte der Beklagten erstmals in dem Ablehnungsschriftsatz vom 21.04.2023 vor, nunmehr mit dem Hinweis, er verfüge lediglich über ein Elektroauto mit einer maximalen Reichweite von 330 km, weshalb die Anreise mindestens 6:48 Stunden dauere. Für den Vorsitzenden bestand keine Möglichkeit, diesen Vortrag bei der Bescheidung des Antrags vom 19.04.2023 zu berücksichtigen. Unabhängig davon hat das Gericht greifbare Anhaltspunkte dafür, dass der am 21.04. 2023 stattfindende Bahnstreik (kombiniert mit den an diesem Tage ebenfalls streikbedingten Beeinträchtigungen des Flugverkehrs) für den Prozessbevollmächtigten der Beklagten nur ein willkommener Vorwand war, nicht nach Stuttgart anreisen zu müssen. Dafür spricht zum einen die Tatsache, dass von etwaigen Hindernissen, nicht mit dem (Elektro-)Auto nach Stuttgart anreisen zu können, in dem Schriftsatz vom 19.04.2023 keine Rede war. Es ist aber nicht nachvollziehbar, dass solche Probleme, so sie denn bestehen, nicht zur Begründung dafür vorgetragen werden, dass eine Anreise nach Stuttgart unmöglich sei. Hinzu kommt, dass der Vorsitzende noch am Vormittag des 20.04.2023 mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten telefonieren wollte, um mit ihm die abzulehnende Verlegung sowie die Anreiseproblematik zu besprechen. Ein solches Telefonat war jedoch nicht möglich, weil vom Sekretariat mitgeteilt wurde, Rechtsanwalt Dr. S. sei diese Woche nicht mehr zu sprechen, er sei „heute und morgen“ krank. Abgerundet wird das Bild dadurch, dass der Vorsitzende kurz vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung, am 21.04.2021 um 15.05 Uhr, mit Herrn W., dem Kaufmännischen Geschäftsführer der Beklagten, telefonierte und von diesem erfuhr, dass die Anwälte miteinander abgesprochen hätten, heute nicht zu erscheinen.
III. Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Sie ist bereits insgesamt unzulässig.
a) Der Kläger hat - mit beiden Klageanträgen - Verpflichtungsklage in Form einer Bescheidungsklage erhoben. Dies aber kann hier offenkundig nicht zielführend sein, weil der Beklagten weder bei einer Auskunftserteilung nach 19 Abs. 1 bis 4 DSG-EKG noch bei einer solchen nach Art. 15 DS-GVO Ermessen zusteht. Beide Auskunftsansprüche sind vielmehr gebundene Ansprüche. Selbst ein Versagungsermessen - etwa bei der Frage der ausnahmsweisen Nichterteilung einer Auskunft nach § 19 Abs. 2 DSG-EKD - ist der Beklagten nicht eingeräumt. Die Kannvorschrift des Art 15 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO ist für den Rechtsstreit nicht relevant. Schon deshalb kann das begehrte Bescheidungsurteil im vorliegenden Falle nicht ergehen.
Da das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf (§ 47 KVwGG) und der Kläger ausdrücklich und erklärtermaßen (nur) eine solche Bescheidung begehrt, ist kein Raum für eine korrigierende Auslegung der Klageanträge dahin, dass entgegen dem Wortlaut der gestellten Anträge in der Sache doch eine Verpflichtung zur unbedingten Auskunftserteilung begehrt wird. Auch der Umstand, dass das Gericht nicht an die Fassung der Klageanträge gebunden ist, ermöglicht im vorliegenden Fall keine solche Auslegung. Denn der Kläger ist anwaltlich vertreten und muss sich daher an seinen Anträgen festhalten lassen (BVerfG, Beschluss vom 8.5.1991 - 2 BvR 170/85 - juris Rn. 13; Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Auflage § 88, Rn. 9). Für einen Hinweis zur Stellung sachdienlicher Anträge (vgl. § 43 Abs. 3 KVwGG) bestand keine Veranlassung, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten war (BVerfG, Beschluss vom 8.5.1991 - 2 BvR 170/85 - juris Rn. 14) und das Gericht die Rechtssache erst am Tage der mündlichen Verhandlung - dem 21.04.2023 - in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorberaten hatte.
b) Unabhängig davon fehlte dem Klageantrag zu 1. - selbst wenn er als Verpflichtungsantrag gestellt worden wäre - ohnehin das Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Beklagte hat Auskunft darüber erteilt, dass keine personenbezogenen Daten des Klägers an konkret bekannte Empfänger in Drittländern offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden. Weiter hat sie Auskunft dazu erteilt, dass am Evangelischen […] Gymnasium in M. die Software Microsoft Office 365 - in Kenntnis der diesbezüglich geführten datenschutzrechtlichen Diskussion - verwendet wird. Der Kläger hält die Nutzung von Microsoft Office 365 im Gegensatz zur Beklagten zwar für datenschutzrechtlich bedenklich. Dies ändert aber nichts daran, dass sein datenschutzrechtlich bestehender Auskunftsanspruch zu Klageantrag 1 a) vollumfänglich erfüllt wurde. In Bezug auf den Antrag 1 b) gilt dasselbe. Denn aus der Auskunft der Beklagten, personenbezogene Daten des Klägers seien nicht konkret bekannten Empfängern in Drittländern offengelegt worden und würden auch nicht offengelegt, ergibt sich unmittelbar, dass - über die Zusage der Fa. Microsoft hinaus, Daten nur auf europäischen Servern zu speichern - keine Garantien im Sinne des § 10 DS-GVO bzw. Art. 46 DS-GVO im Falle einer Übermittlung personenbezogener Daten des Klägers in ein Drittland ergriffen worden sind.
2. Auch der Klageantrag zu 2 hätte - selbst wenn er als Verpflichtungsantrag gestellt worden wäre - keinen Erfolg.
Den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Zurverfügungstellung von Kopien der personenbezogenen Daten gewährt von seinem Wortlaut her zwar nur Art. 15 Abs. 3 DS-GVO, nicht jedoch § 19 DSG-EKD. Insoweit weicht das kirchliche Datenschutzrecht von den Regelungen der DS-GVO zunächst ab. Dies wirft die Frage auf, ob die Regelungen des DSG-EKD insgesamt noch im Sinne von Art. 91 Abs. 1 DS-GVO mit der DS-GVO „in Einklang gebracht werden“ können. Die insoweit fehlende Übereinstimmung des kirchlichen Rechts mit den Regelungen der DS-GVO dürfte aber weder durch eine vollständige Nichtanwendung des DSG-EKD noch durch eine punktuelle direkte Heranziehung der entsprechenden Regelungen der DS-GVO herzustellen sein. Vielmehr ist der Normkonflikt im Wege europarechtskonformen Auslegung des DSG-EKD zu lösen. Denn auch im kirchlichen Recht geht eine solche Auslegung der Unanwendbarkeit einer Norm vor. Aus dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV folgt der auch alle nationalen Gerichte bindende Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung und Rechtsfortbildung des innerstaatlichen Rechts. Danach haben die nationalen Gerichte alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und im Wege der Auslegung zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von dem Unionsrecht verfolgten Ziel übereinstimmt (vgl. EuGH, Urteile vom 04.06.2006 - Rs. C-212/04 - Rn. 109 <Adeneler u.a.> und vom 19.01.2010 - Rs C-555/07 - Rn. 47 <Kücükdeveci>).
Demzufolge dürfte der in § 19 Abs. 1 DSG-EKD geregelte Auskunftsanspruch im Lichte von Art. 15 Abs. 3 DS-GVO so zu verstehen sein, dass er auch den Anspruch auf Zurverfügungstellung entsprechender Kopien mitumfasst.
Das Gericht ist sich der Tatsache bewusst, dass eine solche Auslegung möglicherweise dem Willen des kirchlichen Gesetzgebers widerspräche, der sich - in Kenntnis des Art. 15 Abs. 3 DS-GVO - offenbar bewusst gegen ausdrückliche Kodifizierung eines Rechts auf Erhalt von Kopien datenbezogener Daten entschieden hat. Im vorliegenden Fall wäre aber auch dies ohnehin unproblematisch. Denn hier würde jedenfalls die Beschränkung des § 19 Abs. 2 DSG-EKD eingreifen, wonach eine Auskunft nicht erteilt werden darf, „soweit die Daten oder die Tatsachen ihrer Speicherung […] wegen überwiegender berechtigter Interessen Dritter geheim gehalten werden müssen und das Interesse der betroffenen Person an der Auskunftserteilung zurücktreten muss.“
Genau dies wäre vorliegend hinsichtlich etwaiger, von der Beklagten noch nicht herausgegebener, Materialien der Fall. Denn nach Lage der Dinge könnte es sich bei solchen Notizen und Aufzeichnungen von Lehrkräften nur um Daten handeln, die nicht in die Schulprogramme gelangt sind, wie z.B. handschriftlich vermerkte Eindrücke von Schülern im Vorfeld der Notenbildung oder sonstige im Vorfeld einer Benotung skizzierte schülerbezogene bzw. allgemeine Bemerkungen. Die Herausgabe solcher Daten an den Kläger aber kollidierte mit dem berechtigten und im konkreten Fall überwiegenden Interesse der Lehrkraft, dass solche „Vorfeldeindrücke“, die nicht in die Schulprogramme einfließen, von der Schulverwaltung nicht offengelegt werden. Denn müsste eine Lehrkraft damit rechnen, dass auch ihre Vorfeldüberlegungen im Wege der datenschutzrechtlichen Auskunft herausgegeben werden, wäre eine unbelastete und unbeeinflusste, druckfreie Entscheidungsfindung im geschützten Bereich kaum mehr möglich.
Die mithin hier in jedem Fall dem Begehren des Klägers entgegenstehende Beschränkung des § 19 Abs. 2 DSG-EKD ist auch europarechtskonform, weil Art. 23 Abs. 1 i) DS-GVO eine solche den Schutz der betroffenen Personen oder der Rechte und Freiheiten anderer Personen wahrende Beschränkung des Auskunftsrechts im nationalen Recht unionsrechtlich ausdrücklich ermöglicht und dies für ein sachgerechtes Austarieren der Auskunftsansprüche eines Antragstellers mit den Interessen Dritter auch unabdingbar ist.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 89 Abs. 1 KVwGG.